Kinder machen Bücher: Es ist mit der Arbeit eines guten Schlüsselmachers vergleichbar. Mit selbstverständlicher Leichtigkeit schließen Kinder in ihren Geschichten Türen auf, hinter denen sich eine Welt voller unverhoffter Beziehungen und Absurditäten auftun. Ein gedankliches Urreich, das seine Fäden bis in den Alltag spinnt und dort für aufsehenerregende Verwicklungen sorgt.
Die Besonderheit des Buchkinderprojekts besteht neben der freien und selbstständigen Arbeit in der Einbindung der Kinder in alle Prozesse des Büchermachens. Buchkinder wachsen mit ihren Büchern. Sie übernehmen Verantwortung und entwickeln auf bemerkenswerte Weise soziale Kompetenzen. Einige besondere Effekte unserer Arbeit möchten wir an dieser Stelle nennen:
Spielerisch Lernen
Manchmal sind die Bilder vor dem Text da, manchmal wird der Text illustriert. Wer noch nicht schreiben kann, dem wird von Größeren geholfen. Die Kinder tauschen sich untereinander aus, entwickeln Achtung für die Ideen anderer. Sie erproben die Umsetzung von Text und Bild in grafischen Techniken, Bleisatz und verschiedenen Formen der Buchbindung.
Gute Stimmung und die Wechselwirkungen zwischen Bildern und Texten lassen eigenwillige, witzige, ja zum Teil aberwitzige Bücher entstehen, deren Ideen-und Ausdrucksvielfalt immer wieder überrascht.
Am Ende dieses langen Prozesses vertreten die Buchkinder zu Ausstellungen, Lesungen und Buchmessen sogar ihre Produkte selbst: Sie lesen ihre eigenen Texte und verkaufen ihre Bücher.
Stärkung des Selbstbewusstseins
Die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit bei den öffentlichen Lesungen stärkt das Selbstwertgefühl der Kinder. Sie fühlen sich persönlich ernst genommen und für ihre Leistung belohnt.
Förderung von Kritikfähigkeit
Kritik ist Kindern wichtig, sie erfragen sie und möchten sich selbst kritisch einbringen dürfen. Gerade wenn es um die eigene Kreativität geht, um eigene Texte und Äußerungen, ist es wichtig, Kritik als konstruktiven Faktor verstehen zu können. Mit untereinander geäußerter Kritik wird von den Kindern am entspanntesten umgegangen. Im Buchkinder-Alltag erfahren die Kinder, dass Kritik etwas Natürliches und Wichtiges ist. Das Arbeiten in Gruppen schult sie im Umgang mit anderen Meinungen und dem Definieren gemeinsamer Ziele. Es werden nützliche Methoden eingeübt, die auch im übrigen Alltag Früchte tragen, sei es zu Hause, in der Schule oder im Umgang mit den einprasselnden Medien.
Den eigenen Ausdruck finden Kinder, die eigene Texte schreiben, und sie haben auch das Bedürfnis, sich mit anderen zu vergleichen. Buchkinder erfahren in der Beschäftigung mit den Texten anderer auch die Bestätigung ihrer eigenen Einzigartigkeit. Durch das Lesen öffnen sich ihnen neue Horizonte, auch welch unterschiedliche Formen des sprachlichen Ausdrucks möglich sind. Anreize, den eigenen Ausdruck zu erweitern, oder ihn spezifischer werden zu lassen.
Umgang mit Sprache
Das Finden des persönlichen Ausdrucks und seine kreative Beherrschung ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines selbstbestimmten Lebens. Die Arbeit bei den Buchkindern sensibilisiert die Kinder im Umgang mit ihrer Sprache. Ihr Wortschatz bereichert sich, sie entdecken Vielfalt und Schönheit des Ausdrucks und entwickeln eine besondere Achtung für ihre Sprache. Sie wird nicht nur passiv konsumiert, sondern aktiv zur Vermittlung eigener Botschaften eingesetzt. Somit erweitert sich ganz natürlich das Spektrum eigener Handlungsmöglichkeiten.
Teamarbeit
Es gibt Momente, in denen auch Buchkinder nicht weiter wissen. Diese Erfahrung kann sehr belastend sein, aber sie gehört zum Leben, wie das Glück eines fantastischen Einfalls. Wie liebevoll die Kinder damit untereinander umgehen, könnte für viele Erwachsene ein gutes Beispiel sein. Die Buchkinder schaffen sich selbst einen konkurrenzlosen Raum, weil sie sich auch als solidarische Gemeinschaft verstehen lernen. Das Arbeiten in Gruppen ist freiwillig und wird mit viel Spaß praktiziert. Buchkinder lernen, Hilfe anzufordern, wenn sie sie wirklich brauchen. Und natürlich werden Erfolge ausgiebig gefeiert!
Realitätssinn ausbilden
Als Verfasser von Bild und Text, im handwerklichen Prozess des Druckens und Buchbindens bis zum Präsentieren und dem Verkauf ihrer Werke sind Buchkinder aktiv und kreativ in ihren Verlag eingebunden. Auch problematische Seiten dieses kleinen Betriebs bleiben ihnen dabei nicht verborgen. Denn unsere Arbeit findet nicht in einer geschlossenen Gesellschaft statt. Auf den Buchmessen erleben sie zum Beispiel, wie ihre eigenen Bücher aufgenommen werden, und dass die Buchkinder ein Teil einer riesigen Bücherwelt um sie herum sind. So manchem Buchkind hat diese Erkenntnis zu der Einsicht gelangen lassen, vielleicht doch kein echter Schriftsteller werden zu wollen, weil die ja davon leben müssen, dass sie anderen gefallen.